Von Minden nach Polen

Mein Friedensdienst mit ASF im Jüdischen Zentrum in Oświęcim/Auschwitz

Hallo liebe Freunde, Förderer und Interessierte,

ab dem 03. September 2012 werde ich einen Friedensdienst mit ASF im jüdischen Zentrum Oswiecim/Auschwitz machen.

Auf diesen Seiten möchte ich euch das ganze Jahr über meine Arbeit, Erlebnisse und Erfahrungen informieren.

Auch gibt es mir und euch die Möglichkeit Gedanken zu bestimmten Themen zu äußern und über Nachrichten im Kontakt zu bleiben, hierzu sind natürlich alle herzlich eingeladen!

Viel Spaß mit meinem Blog

Johannes

"68. rocznica wyzwolenia Auschwitz" oder "Ein Abiturient will den Blick auf Auschwitz ändern"

Am 27. Januar vor genau 68 Jahren wurde Auschwitz von der Roten Armee (u.a. von der 322. Infanteriedivision der 60. Armee der 1. Ukrainischen Front unter dem Oberbefehl von Generaloberst Pawel Alexejewitsch Kurotschkin) befreit. Dieser Tag wurde in Deutschland 1996 in mahnender Erinnerung als 'Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus' zum nationalen Gedenktag erklärt. 2005 proklamierte die Generalversammlung der Vereinten Nationen diesen Tag zum 'Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust'.

Auch ich nahm im Rahmen einer Gedenkstättenfahrt an den Feierlichkeiten in Auschwitz und Birkenau teil.

Aber vielleicht fange ich besser vorne an:

Die Gruppe mit einem Zeitzeugen
Die Gruppe mit einem Zeitzeugen

Über Laura (Freiwillige im Zentrum für Dialog und Gebet) erfuhr ich von einer Gedenkstättenfahrt, die Horizonte für ehemalige und aktuelle Freiwillige in Polen organisierte. Da ich noch nie an einer Gedenkstättenfahrt teilgenommen habe, sondern immer nur Gruppen von ebensolchen durch das AJC führe, wollte ich einmal mitbekommen, wie eine Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz aussehen kann.

So nahm ich also vom 24.01 - 28.01 an dieser Gedenkstättenfahrt teil.
Nach einem Gespräch mit Priester Manfred Deselaer und einer anschließenden Führung durch das ehemalige Stammlager, hatte ich am Freitagabend allerdings noch einen anderen Termin. Mein Cousin Moses hatte mich gefragt, ob ich Lust und Zeit habe ein Interview mit dem WDR3 über meinen Friedensdienst zu führen. So kam es also, dass ich am Freitag, den 25.01 um 18.30 Uhr vor Aufregung am ganzen Körper zitternd in der Rezeption saß und auf den Anruf von Ulli Biermann wartete.
Ich war selten so aufgeregt, wie bei diesem Gespräch (nicht einmal bei der mündlichen Prüfung meines Abiturs), weil in diesem Falle gab es kein Zurück: Was ausgesprochen war, war innerhalb der nächsten 5 Sekunden in ganz Deutschland im WDR3 zuhören.
Aber Moses hatte mir schon vorher etwas Mut gemacht mit einer Weisheit des Rundfunks mitgegeben: "[B]eim Radio gibt es eine wichtige Regel für Liveproduktionen. Sie lautet: "Das versendet sich" und bedeutet, dass kleinere Fehler zwar passieren, aber schon nach kurzer Zeit weg sind, weil die Sendung weitergeht und der Hörer weiterhört". Wie sich im Nachhinein herrausstellte, sollte er damit Recht behalten. Auch wenn ich alles andere als zufrieden war mit meinem Interview, so bekam ich doch sehr positive Rückmeldungen von den vielen lieben Menschen, die extra für mich das Radio angeschaltet haben - Danke euch allen dafür!!! :)

 

Hier ist der Link zum Interview: http://www.wdr3.de/zeitgeschehen/juedischeszentrum102.html

 

Vor kurzem hatte ich sogar eine Gruppe, deren Leiter, als ich mich vorstellte, sagte, dass er mich durch Zufall im Radio gehört hätte und schon gespannt war, wer denn dieser Johannes Fendel sei. :)

Zurück zur Gedenkstättenfahrt:
Nach dem Besuch einer Ausstellung von Marian Kołodziej in Harmeze und einem anschließenden Zeitzeugengespräch mit Ignacy Krasnokucki (Überlebender des Ghettos Lodz, des Arbeitslagers Czestochowa und Buchenwald und erfolgreicher Flüchtling eines Todesmarschs), war am Sonntag die besagte Jahresfeier in Auschwitz.

Am Morgen nahmen wir (Dominik, Gleb, Artur und Ich) als Delegation des AJC an einer sehr militaristischen Gedenkfeier für alle verstorbenen Soldaten auf dem Plac Kosciuszki teil, bevor wir mit dem nächsten Bus Richtung ehemaliges Stammlager fuhren, wo in einem großen Zelt die offizielle Gedenkfeier stattfinden sollte.

Die beiden Rosen links sind von mir
Die beiden Rosen links sind von mir

Nachdem ich zwei Rosen an der sogenannten "Todesmauer" niedergelegt hatte, versuchten wir Ausweise für die offizielle Veranstaltung zu bekommen. Doch nur ich wurde, da ich mit der Gruppe von Horizonte angemeldet war, reingelassen und konnte an der Gedenkfeier teilnehmen. Allerdings war diese Veranstaltung weit aus weniger eindrucksvoll, als erwartet. Zum einen, weil der vermutete Besuch von Putin ausgeblieben ist und zum anderen, weil während der gesamten Veranstaltung eigentlich nicht irgendwem gedacht wurde, sondern nur Reden (oft mit wenig Inhalt) geschwungen wurden. Allerdings hat mich besonders die Rede eines Soldaten, der Auschwitz mit befreit hat, zum Nachdenken angeregt. Ich habe nie über die Perspektive des Befreiers nachgedacht und deshalb war es für mich neu, aber sehr einleuchtend, als dieser sagte, dass die Soldaten ja keine Ahnung davon hatten, wen sie dort vor sich haben. Es hätten ja genau so gut auch wirkliche Schwerverbrecher sein können. Heute geht man immer davon aus, dass die Soldaten gewusst hätten, wen sie dort vor sich haben und aufgrund dessen ihnen sofort zur Hilfe gesprungen seien, aber dem ist nicht so. Die Soldaten der Roten Armee haben nur abgemagerte Menschen hinter einem Zaun gesehen und sind aus reiner Menschlichkeit diesen abgemagerten und halbtoten Menschen zur Hilfe gegangen.

Nachdem die neue russische Länderausstellung offiziell eröffnet wurde, ging es dann nach Birkenau, wo noch eine Gedenkminute vor dem Mahnmal stattfinden sollte. Obwohl wir ca. 15 Min. zu früh in Birkenau eintrafen, war die Gedenkveranstaltung schon vorbei und die Besucher gingen schon wieder nach Hause - sehr schade, vor allem, weil, nachdem der Bereich für die Öffentlichkeit freigegeben war, kein Gedenken mehr möglich war, da einige Besuchergruppen der Meinung waren, dass das ganze ein riesiges Spektakel wäre, bei dem man um die besten Plätze kämpfen müsse und dafür auch rumschubsten, laut nach ihren Freunden riefen, von allem Fotos machten, und kein bisschen Rücksicht auf Leute nahmen, die eine Kerze niederlegen wollten und vielleicht noch ein Gebet sprechen wollten; Nein, da hatte man dann ja eine bessere Position, also wurde man einfach weggeschubst. Ich war noch nie so froh dort wieder weg zu sein, weil es mich einfach nur traurig und wütend gemacht hat. :(

Am Montag machten wir noch eine Kreuzwegmeditation in Birkenau und Nachmittags führten Laura und ich die Gruppe durch die Stadt, über den Friedhof und durch das jüdische Zentrum. Ich war ziemlich aufgeregt, weil es doch was anderes ist, ob man eine fremde Gruppe, oder eine Gruppe mit bekannten Gesichtern führt. Aber ich glaube es hat gut geklappt und sie wirkten alle recht zufrieden. :)

Die Gedenkstättenfahrt war sehr interessant. Auch wenn ich während der Führungen nicht viel Neues dazu gelernt habe, so waren besonders die Gesprächsrunden, das Zeitzeugengespräch und die Abende besonders interessant und ich bin froh, dass auch einmal erlebt zu haben. Außerdem bekommt man nochmal eine Sicht von außen auf das Thema, wodurch in die Schutzmauer, die man aufgebaut hat, nochmal eine kleine Lücke gerissen wird. :)

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Kommentare: 1
  • #1

    pi. (Donnerstag, 07 März 2013 22:13)

    Gutes Interview Johannes, hut ab. klingt sehr professionell.