Von Minden nach Polen

Mein Friedensdienst mit ASF im Jüdischen Zentrum in Oświęcim/Auschwitz

Hallo liebe Freunde, Förderer und Interessierte,

ab dem 03. September 2012 werde ich einen Friedensdienst mit ASF im jüdischen Zentrum Oswiecim/Auschwitz machen.

Auf diesen Seiten möchte ich euch das ganze Jahr über meine Arbeit, Erlebnisse und Erfahrungen informieren.

Auch gibt es mir und euch die Möglichkeit Gedanken zu bestimmten Themen zu äußern und über Nachrichten im Kontakt zu bleiben, hierzu sind natürlich alle herzlich eingeladen!

Viel Spaß mit meinem Blog

Johannes

Wake Up Europe: It´s Time to Act!

Racism Tears Britain Apart
Racism Tears Britain Apart

Vorletzte Woche hat sich für mich überraschend eine unglaubliche Möglichkeit ergeben: Ich durfte als Deligierter des "Jewish Center" nach Raasepori (Finnland) fahren und das Zentrum dort auf einer Konferenz mit dem Titel "Wake Up Europe: It´s Time to Act!!" vertreten.

 Mein Mitfreiwilliger Gleb hatte sich für die Konferenz beworben, konnte aber aus privaten Gründen doch nicht teilnehmen. Er hat also vorgeschlagen, dass einer seine Kollegen teilnehmen könnte und hat uns gefragt. Da Dominik in ein anderes Projekt eingebunden war, fiel die Wahl auf mich.

Ich hatte nun drei Tage Zeit das ganze vorzubereiten: Die Bewerbung musste geschrieben (auch wenn sie eigentlich nicht mehr relevant war), der Flug gebucht, alle Vorbereitungen für eine Woche Abwesenheit hier im Zentrum getroffen und Sachen gepackt werden, etc. Ich weiß nicht, wie ich das alles geschafft habe, aber am Freitag Mittag fuhr ich zusammen mit Martin (Teilnehmer einer Gedenstättenfahrt, denen ich am Dienstag eine Führung gegeben hatte, mit denen ich mich Mittwochabend nochmal getroffen hatte und einige sehr interessante Stunden verbacht hatte; wir haben festgestellt, dass wir beide Freitag nach Warschau wollen) nach Krakau um von dort mit dem Zug nach Warschau weiter zu fahren, von wo am Montag mein Flieger nach Helsinki ging (so musste ich beim Flug nicht umsteigen und es war günstiger).

 

 

Kulturpalast Warschau
Kulturpalast Warschau

In Warschau haben wir bei Mitfreiwilligen von mir (Kathi und Jesse) übernachtet und hatten ein sehr schönes Wochenende.
Wir haben uns zusammen die Stadt angeschaut (die abgesehen von der kleinen Altstadt definitiv nicht an Kraków ran kommt - sorry ihr lieben Warschauer, ich weiß, dass ihr das nicht gerne hört, aber da muss ich doch ein bisschen patriotistisch sein :D ), das Wetter genossen, waren ein wenig shoppen und abends haben wir ausgekundschaftet, was Warschau bei Nacht zu bieten hat.

Ich habe auch eine Freundin (Sinje) wieder gesehen, die gerade einen Freiwilligendienst in Warschau macht.

 

Marsz Niepodległości
Marsz Niepodległości

Eigentlich möchte ich auf die Zeit in Warschau gar nicht länger eingehen, aber am Sonntag habe ich etwas sehr besonderes erlebt.

Der 11.11 ist in Polen Nationalfeiertag und ich durfte ihn in der Hauptstadt Warszawa miterleben!

Eine äußerst spannende, wenn auch etwas beängstigende Angelegenheit.

Zuerst gab es einen riesigen Unabhängigkeitsmarsch ("Marsz Niepodległości") und später kam es (wie jedes Jahr) zu Zusammenstößen zwischen Nationalisten, Nationalsozialisten und Polizei. Gott sei dank habe ich die gewaltsamen Zusammenstöße nur von weitem mitbekommen.

So viel Polizei habe ich selten in meinem Leben auf einem Fleck gesehen (und ich war schon öfter auf großen Demos).

 

 

Was in Warszawa los war und warum manche Leute sagen, dass Warschau an diesem Tag in Flammen steht, veranschaulichen dieses Video und der Zeitungsartikel ganz gut; ein absoluter Ausnahmezustand:

"Warschau – Trotz eines großen Polizeiaufgebotes ist es in Warschau am polnischen Unabhängigkeitstag zu Gewalt und Randale rechtsradikaler Demonstranten gekommen. Wie ein Polizeisprecher am Montag berichtete, wurden bis zum späten Sonntagabend 132 Demonstranten vorläufig festgenommen. Bei den Zusammenstößen gab es insgesamt 24 Verletzte, darunter acht Polizisten.

Zu den gewalttätigen Ausschreitungen kam es nach dem Unabhängigkeitsmarsch mehrerer rechter und rechtsradikaler Gruppen. Die Sprecherin der Homosexuellenorganisation „Lambda“ sagte der polnischen Nachrichtenagentur PAP, Rechtsradikale hätten das Büro der Gruppe in der Warschauer Innenstadt angegriffen. Im vergangenen Jahr war es am Unabhängigkeitstag zu schweren Straßenschlachten gekommen." (http://www.tt.com/%C3%9Cberblick/Chronik/5693510-6/rechtsradikale-randale-in-warschau---132-demonstranten-festgenommen.csp)

Raasepori; der See direkt bei unserer Unterkunft
Raasepori; der See direkt bei unserer Unterkunft

Nun aber zum eigentlich wesentlichen Teil meines Artikels, meine Konferenz in Raasepori. Untergebracht waren wir in einem Sportzentrum mitten im völligen Nichts eines finnischen Waldes und direkt an einem See. Das Sportzentrum hatte neben Sporthallen auch eine Joggingstrecke, Bogenschießstände, Loipen, Fußballfelder,... Und natürlich einige kleine Häuser, wo wir untergebracht waren.

Der Hauptteil der Konferenz bestand aus einer thematischen Arbeitsgruppe und Workshops zu verschiedenen Themen von Diskriminierung und wie man solche bekämpfen kann.

Meine "Thematic Working Group" hieß "Artivism - Creative action against racism". Wir haben uns über Erfahrungen mit kreativem Aktivismus ausgetauscht und ich muss sagen, dass ich erstaunt war, wie vielfälltig und bund so ein Protest sein kann. Da gab es zum Beispiel "Comics Artivism" aus Russland, "Ska" aus Kroatien, "R-Word-Book" aus Finnland, "Métis`Arte" aus der Schweiz und vieles mehr.

Eine sehr interessante Sache, die ich dabei kennengelernt habe, ist die "Human Library". Diese Methode lässt sich wie folgt beschreiben:

"A Human Library is a lot like your typical library. Readers come into the library, sign out books, read them and return them. However, in the Human Library, the books you sign out are real people, willing to share their unique perspectives, cultural histories, and experiences.

Instead of reading a book, you have a conversation. Human Books are often individuals who have been stigmatized, stereotyped or misunderstood in various ways.

Challenge your preconceptions and assumptions, broaden your awareness and understanding of others, and be curious! This is your chance to engage in an open conversation, to ask questions, to listen to life-stories and to learn about someone whose experience, background or viewpoint interests you."

(http://library.humber.ca/HumanLibrary/).
Auf dieser und folgender Seite findet ihr weitere Informationen zum Ablauf einer "Human Library":

http://www.keks.fi/elavakirjasto/taustaa/instructions/

Leo beim Spiel mit dem Feuer
Leo beim Spiel mit dem Feuer

Neben den offiziellen Veranstaltung gingen die Diskussionen aber in den Pausen und bei einem Bier abends weiter.

Die Konferenz war sehr toll und ich bin sehr froh, dass sich mir diese Möglichkeit ergeben hat. Vor allem ca. 80 - 100 Menschen aus ganz Europa und allen ethnischen und sozialen Gruppen (Roma, Homosexuelle, Farbige, etc. Wir hatten sogar einen schwulen Roma, der sich mit seiner Organisation für die Rechte von homosexuellen Roma einsetzt, weil dies unter den Roma nicht akzeptiert ist) zu treffen und deren Ansichten, deren Proteste und Probleme im eigenen Land zu hören und doch zu wissen, dass uns alle etwas verbindet: Wir sind alle Menschen und wir kämpfen alle für das gleiche: ANTIDISKRIMINIERUNG.

 

Ansonsten stand am Donnerstag noch eine Stadtführung in Helsinki an, hier einige Eindrücke:

Uspenskin katedraali
Uspenskin katedraali

Obwohl die Konferenz am Samstag morgen endete, habe ich meinen Flug extra erst für Sonntag gebucht, weil ich die Chance nutzen wollte um noch eine Freundin in Finnland zu besuchen. Sanni war letztes Jahr Austauschschülerin in Minden und dort habe ich sie kennen gelernt.

Am Samstag wurde ich von ihrer Mutter am Bahnhof in Helsinki abgeholt und wir haben uns zu zweit nochmal die Stadt angeschaut, da Sanni noch arbeiten musste. Wir haben vor allem eine Tour gemacht durch die Kirchen, die ich noch nicht gesehen hatte.

Nach einem leckeren (italienischem) Essen sind wir zu ihnen nach Hause gefahren, nach Klaukkalla (ein Ort ca. 30 km entfernt von Helsinki).

Dort habe ich Sannis Vater kennengelernt und auch Sanni endlich wieder getroffen. Ich habe mich dann - vor allem mit der Mutter und Sanni - noch sehr nett unterhalten.

 

Am nächsten morgen ging mein Flieger zurück nach Warszawa, wo ich mich noch für 3 Stunden mit Kathi und Anna (Freiwillige aus Wrocław) getroffen habe, bevor mein Bus zurück nach Kraków und von dort weiter nach Oświęcim ging.

Die Woche war sehr spannend und sehr ereignisreich, deswegen konnte ich mich leider mal wieder nicht kürzer fassen, tut mir leid!

Aber ich wollte euch an diesem tollen Erlebnis gerne ein bisschen teilhaben lassen.

 

Ein kleiner Nachtrag noch:

Ich glaube Finnisch ist die erste Sprache, wo ich ins Land komme und innerhalb von einer Woche nur ein einziges Wort lernen konnte ("moi" bedeutet so viel wie "Hallo"), geschweige denn auch nur ein Wort verstehen konnte. Diese Sprache ist einfach so völlig anders, als alle, die ich bis jetzt kennengelernt habe!

 

hyvää huomenta = Guten Morgen

Kuinka voit? = Wie geht es dir?

Kippis = Prost

hei = tschüß und hallo

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